Studopolis-Talk Spezial

 

Aufgrund des Krieges, der leider kurz zuvor von Russland gestartet wurde, organisierten wir einen Studopolis-Talk Spezial.
Mit Botschafter a.D. Ulrich Brandenburg, Sicherheitsexperte Rafael Loss und Oberst a.D. Karl Ernst Graf Strachwitz, betrachteten wir die tragische Situation aus verschiedenen Blickwinkeln.
Der Titel des Talks lautete „Was war? Was wird? Was können wir tun?“. Unsere Zuschauerschaft stellte dem Experten-Panel ihre Fragen und wurde seine Gedanken zum Konflikt los.

Schaut euch hier das ganze Event im Video an:

 

In kurzen Impulsvorträgen gaben unsere Experten eine kurze Einschätzung der aktuellen Lage. Botschafter Brandenburg wies darauf hin, dass Russlands Überfall vermutlich schon länger geplant war und Putin in der russischen Bevölkerung aufgrund effektiver Propaganda und geringem Interesse der Öffentlichkeit großen Rückhalt habe. Rafael Loss wies auf die Möglichkeit einer nuklearen Eskalation hin, wenngleich diese als sehr unwahrscheinlich gilt, da Russland in der Vergangenheit öfters ähnliche Drohungen verlauten ließ. Graf Strachwitz zeichnete ein düsteres Bild des Konflikts, da er einen Sieg der Ukraine für unwahrscheinlich hält und Russland militärisch noch nicht einmal sein wahres Gesicht gezeigt habe. Er glaubt, dass ein Waffenstillstand nur gelinge, er den Wünschen Russlands entspreche.

Zu Beginn berichtet Rafael Loss von der überraschend geeinten Reaktion Europas, die auch ein Neudenken in der europäischen Sicherheitsarchitektur bewirke. Dazu zählten aber auch Energieabhängigkeiten Europas. Er verwies darauf, dass eine so geeinte Reaktion etwa bei einem Konflikt zwischen China und Taiwan schwieriger wäre, weil die wirtschaftlichen Folgen viel größer wären. Ulrich Brandenburg beschrieb, wie er denke, dass der Zeitpunkt und Umfang des Angriffs selbst den engen Führungskreis um Putin wohl überrascht habe. Dennoch glaubt er ebenfalls nicht an einen Sieg der Ukraine, oder ein einfaches Aufgaben Russlands, dass der Ukraine die Existenzberechtigung abspreche. Graf Strachwitz betonte, dass die NATO-Staaten sicher sind, vor allem dank den USA. Er nannte aber drei Dinge, die er als große Illusionen in der aktuellen Debatte wahrnehme:
1) Putin habe den Widerstand der Ukraine unterschätzt, 2) Putin hat die Reaktion des Westens unterschätzt und 3) die russische Bevölkerung sei gegen Putin.

Auf die Publikumsfrage, ob China von dem aktuellen Konflikt profitiere, berichten die Experten, dass das gut sein könne, wenngleich die USA schon länger einen größeren Fokus auf die Pazifik-Region lege. Ebenfalls erwähnt Ulrich Brandenburg, dass die Verbindung zwischen Russland und China keine „Partnerschaft unter Gleichen“ sei, sondern Russland zur „Rohstoffkolonie“ Chinas werde.

In einer kurzen Randnotiz berichtet Herr Brandenburg von seinen persönlichen Erfahrungen mit Lawrow und Putin und wie er Letztrigen einmal zufällig im Aufzug traf.

In Hinblick auf eine potentielle Wehrpflicht und das 100 Mrd. Euro Sondervermögen für die Bundeswehr, sprach sich Graf Strachwitz gegen eine Wehrpflicht aus, brachte aber ein freiwilliges soziales Jahr ins Spiel. Das Sondervermögen würde er gerne nutzen, um die cyberwar-Fähigkeiten der Bundeswehr auf den neusten Stand zu bringen. Rafael Loss wies darauf hin, dass auch eine Verwendung zur Verbesserung der Resilienz der Gesundheitsversorgung und der Wirtschaft ein sinnvoller Einsatz des Geldes wäre.

Über die Kriegsführung, im Hinblick auf die Angriffe auf zivile Infrastruktur, sagte Oberst Strachwitz, dass es für viele als irrational scheine aber der Sinn darin bestehe den Kriegswillen der ukrainischen Bevölkerung zu brechen. Rafael Loss wies darauf hin, dass diese Art der Kriegsführung schon in Russlands Konflikten der 90er-Jahre zu beobachten war.

Über den Rückhalt in der Bevölkerung waren sich Herr Brandenburg und Rafael Loss einig, dass sie solide russische Propaganda einen starken Widerspruch in der Bevölkerung verhindere und lediglich hohe Opferzahlen unter den Angreifern zu einem Umdenken führen könnten.

Auf die Frage nach einem möglichen Beitritt der Ukraine zur EU entgegnete Loss, dass schon viele andere Länder auf der Warteliste stünden, ein Beitritt harte Auflagen in allen Bereichen mit sich bringe und die Europäische Union sich davor hüte wirtschaftliche und politische Instabilität aufzunehmen.

Im Hinblick auf wirtschaftliche Folgen der Sanktionen gegen Russland schlug Rafael Loss eine Senkung der Mehrwertsteuer auf Öl und Gas vor, sowie eine noch schnellere und sozial-verträglichere Energiewende vor. Allerdings sollte die Politik hier ihre Kommunikation verbessern.

Ulrich Brandenburg verteidigt auf Nachfrage den Bau der NordStream1 und Nordstream2 Pipelines, kritisiert aber, dass die Abhängigkeiten in den letzten Jahren zu groß geworden sind.

Wir hoffen nicht mehr viele Spezialtalks zur Ukraine machen zu müssen, freuen uns aber über das große Interesse der Zuschauenden, die vielen guten Fragen aus dem Publikum und die Bereitschaft der Experten-Gäste mit uns über dieses Thema zu sprechen.
Vielen Dank,
Euer Studopolis-Team